Nachdem die EU-Kommission zuletzt den Meisterzwang in Deutschland scharf kritisiert hat, verfallen insbesondere die Handwerkskammern in eine reflexartige Abwehrhaltung. Um die Argumentation der EU zu entkräften veröffentlichte die Handwerkskammer Bremen nun ein Dokument mit vermeintlichen “Falschaussagen” über den Meisterzwang.
Zunächst einmal sei angemerkt, dass der Aufschrei der Handwerkskammer unsachlicher kaum sein kann. Als Reaktion auf die Aussage der EU-Kommission erschien beispielsweise ein Kampagnenplakat mit der Aufschrift “EU greift Meisterbrief an”. Nein. Tut sie nicht. Bitte noch einmal genau lesen, was gesagt wurde. Es wird der MeisterZWANG angegriffen, nicht der Meisterbrief. Und das zurecht. Leider passt dieses Plakat allerdings nur allzu gut in die aktuell allgemein sehr nationalistisch angehauchte Kampagne.) Aber nun zum Dokument:
“Der Meisterbrief verhindert die Schaffung von Arbeitsplätzen”
Dem ersten Satz in diesem Abschnitt stimme ich sogar begrenzt zu: “Stabile Arbeitsplätze entstehen in stabilen Betrieben”. Eine stabile wirtschaftliche Lage ist essentiell für Unternehmen jeder Art.Im Rest des Abschnittes wird jedoch die Behauptung aufgestellt, eine solche Stabilität sei nur mit einem Meisterbrief zu erreichen. Zum “Beweis” dieser Behauptung werden die absoluten Zahlen der geschaffenen Arbeitsplätze im Handwerk herangezogen. Der kausale Zusammenhang zwischen dem Meisterzwang und diesen Zahlen wird leider nicht aufgeführt.
Fakt ist: Ein System, dass Menschen und sogar ganzen Wirtschaftszweigen willkürlich untersagen kann, ihrer Arbeit nachzugehen, verhindert sehr wohl die Schaffung von Arbeitsplätzen.
“Der Meisterbrief verringert den Wettbewerb im Handwerk”
In diesem Abschnitt versucht die Handwerkskammer für sich den Begriff Wettbewerb neu zu definieren. Sie scheibt “Das Handwerk schafft sich durch seine Ausbildungsleistung die potentiellen Wettbewerber selbst.”, unterschlägt jedoch, dass hier nicht “das Handwerk”, sondern die Handwerkskammer gemeint ist. Denn letztere hat die Kontrolle darüber, welches Unternehmen sich niederlassen darf und welches nicht.
Dass der Wettbewerb funktioniere könne “man auch aus dem regen Prozess der Neugründungen, Schließungen und Insolvenzen ersehen”. Das von diesen Schließungen viele auf Grund von Zwängen der Handwerkskammer überhaupt erst zu Stande kommen, wird nicht erwähnt.
Fakt ist: Darf eine Institution alleinig darüber befinden, welches Unternehmen auf dem Markt zugelassen wird und welches nicht, stellt dies einen massiven Eingriff in den Markt ein. Die Handwerkskammer stellt ein solches Monopol dar.
“Die Abschaffung des Meisterbriefes bringt mehr Existenzgründungen und damit mehr Arbeitsplätze”
In diesem Abschnitt verteidigt die Handwerkskammer den Meisterzwang damit, dass mit der Abschaffung zwar ein Anstieg der Neugründungen stattfinden würde, diese aber wirtschaftlich zu schwach seien. Dieser Abschnitt untermalt, weshalb der vorherige Part über den Wettbewerb eine solch dreiste Lüge ist. Denn mit dieser Aussage maßt sich die Handwerkskammer an, darüber zu entscheiden, welches Unternehmen es wert ist sich zu gründen und welches nicht. Eine solche Bewertung steht der Handwerkskammer nicht zu.
Fakt ist: Die Abschaffung des Meisterzwangs wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu mehr Existenzgründungen führen. Das hiervon einige Unternehmen nicht lange durchhalten, ist durchaus möglich. Diese Einschätzung obliegt jedoch nicht der Handwerkskammer.
“Der Meisterbrief verteuert die Handwerksleistungen”
Hier werden “mittelstandsfeindliche” Steuern und Abgaben als Ursache für hohe Preise im Handwerk angegeben. Die Nennung dieser Dinge dienen der Entgleisung der Argumentation. Anstatt auf das eigentliche Argument einzugehen, werden andere Punkte benannt, die vermeintlich einschneidender wären.
Fakt ist: Die hohen Auflagen der Handwerksordnung und der Meisterzwang erzwingen eine enorme Erstinvestition vor der Aufnahme eines Betriebes. Diese schlägt sich auf die Preise der Dienstleister nieder.
“Der Meisterbrief fördert die Schwarzarbeit im Handwerk”
Laut Handwerkskammer boomt die Schwarzarbeit nicht auf Grund des Meisterzwangs, sondern auf Grund hoher Nebenkosten und Abgaben. Dieser Aspekt mag in mancher Hinsicht korrekt sein. Allerdings verschweigt die Kammer, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Nebenkosten die Zwangsabgabe auf Grund der Zwangsmitgliedschaft in der Handwerkskammer darstellen kann.
Außerdem wird an dieser Stelle bewusst und wiederholt auf eine Problematik eingegangen, die überhaupt nicht gemeint ist. Denn die Schwarzarbeit, die durch den Meisterzwang gefördert wird ist nicht die, im Rahmen derer Menschen keine Steuern zahlen, sondern die, im Rahmen derer Menschen, die arbeiten wollen und können, nicht arbeiten dürfen. Die Gleichsetzung mit Steuerhinterziehern ist an dieser Stelle eine bewusste Diffamierung.
Fakt ist: Der Meisterzwang hat zur Folge, dass Menschen und ganze Berufszweige willkürlich kriminalisiert werden.
“Der Meisterbrief ist nicht „europafest“”
Dieser Abschnitt propagiert: “In Europa geht der Trend generell hin zur Qualifikation”. Ja, diese Aussage kann ich unterschreiben. Hieraus allerdings die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Qualifikation durch einen Meisterzwang gewährleistet sei, ist schlicht falsch.
Fakt ist: Nachdem in Griechenland jüngst die Zwänge der Kammern aufgegeben wurden, ist Deutschland das letzte Land mit dieser Art der Beschränkung der Berufsfreiheit. Es steht dem europäischen Recht und der europäischen Norm entgegen.
“Der Meisterbrief: Ein Modell für die Zukunft?”
Zusammenfassend beschreibt das Dokument, warum der Meisterbrief wertvoll sei. Und ja, viele Punkte teile ich durchaus. Und auch die EU-Kommission wird viele dieser Punkte teilen. Was die Handwerkskammer jedoch in ihrer Anti-EU-Kampagne verkennt, ist die Tatsache, dass es bei all der Kritik nicht um die Abschaffung des Meisterbriefes geht. Es geht um die Abschaffung des MeisterZWANGs. Es geht um die Wiederherstellung der Berufsfreiheit. Es geht um Grundrechte. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Die EU will halt selbst ihre Einschraenkungen der Gewerbefreiheit festlegen.
Natinale Regelungen wie der Meisterzwang sind ihr bei ihrer Politik der Bevorzugunge grosser, industrieller Betriebe im Wege. Oder warum entwickelt die EU geradezu einen Zulassungswut, in deren Folge jemand eine Taetigkeit nur ausueben darf, wenn er nach EU-Gestzen dafuer zugelassen ist und die Zulassungsvoraussetzungen auf grosse, industrielle Betriebe zugeschnitten sind, die fuer einen Handwerksbetrieb nur eine Erschwernis darstellen?
Nunja, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Schließlich gab es nicht gerade wenig versuche seitens der EU massive Beschränkungen einzuführen (Stichwort ACTA). Versuche, die genau im Auge behalten werden müssen.
Trotzdem sind das zunächst zwei verschiedene Ebenen. Einerseits die Abschaffung der Hürden auf nationaler Ebene und andererseits die Verhinderung neuer Hürden auf internationaler Ebene. Der Artikel begrenzt sich auf ersteres.
Die Erhaltung von den Meisterbrief ist auf keinen Fall bedeudsam für den Markt. Der Meisterbrief ist eine beurkundigte Qualifikation von ein Arbeiter/Angestellter/Mensch. In eine freie Marktwirtschaft sollte jedoch der Verbraucher selbst entscheiden wer für die jewaligen Arbeiten geeignet ist und Aufträge vergeben.
Meisterzwang ist nicht zeitgemäß, Meister keine Garantie für Qualität. Immer neue zusätzliche Auflagen und Vorschriften verzerren den Wettbewerb. Für meinen Bereich, Metallbau heist das: EN 1090.
So kann man Handwerkskultur durch Normierung Zugrunde richten. Auch diese Verordnung sichert Kammern und Innungen, neue teure Kurse, ihre Pfründe. Stichwortsuche im Net: “Nein zu EN 1090”
“…sehr nationalistisch angehauchte Kampagne”
So etwas zu schreiben finde ich äußert provokant und auch überaus unnütz.
Das Wirtschaftssystem in Deutschland und vorallem das Handwerk bietet jungen Menschen wie mir eine tolle Ausbildung und einen stabilen Wirtschaftszweig. Deshalb darf man auch stolz darauf sein!
Zugegeben, in ein paar Gewerken ist der Meisterzwang nicht unbedingt notwendig. Dennoch sollte er in den meisten Branchen erhalten bleiben, zum Beispiel in der Elektrotechnik. Würden Sie Ihr Kind in einer Umgebung spielen lassen, wo Steckdosen und Beleuchtung von einer schlecht ausgebildeten Person installiert wurden und die Sicherheit nicht zu einhundert Prozent gewährleistet ist, weil es sich um Unwissenheit handelt?
Ich finde der Meisterzwang ist eine Qualitätssache, auch wenn das manche “nicht so genau” nehmen. Besonders im Bereich Sicherheit!
In Deutschland gibt es Weltweit – im Verhältnis gesehen – die wenigsten Tote durch Stromunfälle. Das kommt nicht von ungefähr.
Nicht alles sollte über die EU geregelt werden, vorallem keine gutfunktionierenden Systeme der Wirtschaft.
Außerdem sollte man bedenken, dass die Handwerkskammern auch viele Mitarbeiter und Dozenten haben die Allesamt davon leben, dass Fachkräfte sich weiterbilden und ggf. selbstständig werden möchten.
Bei Existensgründungen wird man sogar gefördert!
“What do you think?”
Ihr Piraten seid mir normalerweise Sympatisch! Ihr denkt modern, eher für den jungen Menschen der sich in Deutschland wohlfühlen will.
Ihr habt auch eure Schwerpunkte, aber das ist keiner davon!
Die Argumente von Ihnen, Herr Pollock, sind keinesfalls für vertretbar, man sollte zu sowas dann lieber keine Stellung beziehen.